„Endlich kann ich meinen gelähmten Arm wieder bewegen“ – Motorisierte Orthese ermöglicht Lisa K. beidhändiges Greifen
Eigentlich sollte nach einer Schulter-Operation alles besser werden, doch es kam ganz anders. Nach dem medizinischen Eingriff spürt Lisa K. ihren linken Arm und ihre linke Hand nicht mehr. Tage danach folgt die Gewissheit: Sie kann beide nicht mehr bewegen. Ihr ganzes Leben ist auf den Kopf gestellt. Es folgt eine Arzt-Odyssee, bis schließlich eine myoelektrische Ganzarmorthese wieder Bewegung in Arm und Hand bringt.
Seit Jahren leidet Lisa K. unter Schmerzen in ihrer linken Schulter. Die Ursache: ein Schlüsselbeinbruch in ihrer Jugend, der wieder fehlerhaft zusammengewachsen ist. Seitdem kann die mittlerweile 21-Jährige ihre Schulter nicht mehr voll belasten. Das macht sich vor allem in ihrer Ausbildung zur Pflegefachhelferin bemerkbar. Beim Heben und Unterstützen von Patienten werden ihre Bänder im Schulterbereich immer weiter gelockert, bis schließlich ihre Schulter auskugelt. In einer ersten Operation werden entzündete Schleimbeutel entfernt. Um ihren Beschwerden nachhaltig entgegenzuwirken und bei der Arbeit wieder vollen Einsatz zu zeigen, entscheidet sich Lisa K. für eine weitere Operation, bei der Schlüsselbein und Schulter durch eine Sehne aus dem Fuß stabilisiert werden sollen. Doch etwas geht schief: Nach der Operation spürt Lisa K. ihren Arm und ihre Hand nicht mehr und die Lähmungserscheinungen halten an. Die Ursache lässt sich nicht eindeutig ausmachen. Wahrscheinlich eine Nervenverletzung bei der Operation oder eine falsche Lagerung der implantierten Schulterplatte. Für die angehende Pflegekraft bricht eine Welt zusammen. „Meine Ausbildung war gerade abgeschlossen und ich wollte unbedingt eine Weiterbildung zur Pflegefachfrau machen. Und plötzlich ging gar nichts mehr – alltägliche Dinge wie Anziehen oder Zahnpasta-auf-die-Zahnbürste-Auftragen entwickelten sich zur Herausforderung.“
Eigeninitiative und Kampfgeist
Trotz des gesundheitlichen Tiefschlags verliert die gebürtige Bayerin nicht die Hoffnung. Aus ihrem Elternhaus und von ihrem Freund erhält sie dabei umfangreiche Unterstützung. Sie sucht verschiedene Spezialisten auf, bekommt unterschiedliche medizinische Einschätzungen − doch keiner traut sich so richtig an die Sache heran. Mit ihrem Herzenswunsch, ihren Arm und ihre Hand wieder bewegen zu können, begibt sich Lisa K. schließlich auf Eigenrecherche und stößt dabei auf Myomo. Das Unternehmen für medizinische Robotik hat ein Ganzarmorthesen-System entwickelt, das über nicht invasive Sensoren am Arm neurologische Signale auf der Haut erfasst und an leistungsfähige Motoren weiterleitet, die die gewünschte Bewegung von Arm und Hand entsprechend ausführen. Denn üblicherweise bleibt der Körper auch bei gelähmten Gliedmaßen infolge von Schlaganfällen sowie Rückenmarks- und Nervenverletzungen weiterhin in der Lage, minimale Muskelsignale zu senden. Bei einem Probetermin für Anwender in einem nahe gelegenen Sanitätshaus testet die junge Patientin das erste Mal die MyoPro Orthese. Obwohl bei Lisa K. in einem ersten Test nur sehr schwache Impulse auf der Haut gemessen werden, funktioniert das System bei ihr. „Als ich meinen Arm nach so langer Zeit wieder von alleine bewegen konnte, stiegen mir sofort Tränen in die Augen“, berichtet die junge Frau.
Zurück im Leben
Aktuell trägt Lisa K. die Ganzarmorthese seit einem halben Jahr zur Probe. Dafür wurde ihr Arm im Vorfeld von einem Orthopädietechniker genau vermessen und das System individuell für sie angepasst. Um alle Funktionen vollständig zu erlernen, bedarf es viel Training sowie einer physio- oder ergotherapeutischen Begleitung. Doch es lohnt sich. „Durch die permanente Bewegung werden das Nervenwachstum und die Durchblutung im Arm angeregt und Muskeln bleiben erhalten“, erklärt Stephanie Berauer. Als Ergotherapeutin begleitet sie das gezielte Training von Lisa K., die regelmäßig Fortschritte macht. Auch bei ihrer Arbeit im Krankenhaus kommt die Orthese regelmäßig zum Einsatz: „Wenn wir Patienten aufnehmen, kümmere ich mich um den Überleitungsbogen. Mithilfe der Orthese kann ich dabei beidhändig arbeiten, das heißt Blätter in der einen Hand halten und mit der anderen Hand tackern“, berichtet die junge Pflegekraft. Bei positiver Eignung übernehmen gesetzliche Krankenkassen und Unfallversicherungen sowohl die Kosten für die Orthese als auch für das notwendige Training. Lisa K. ist daher zuversichtlich, dass auch ihre Krankenkasse sie nach der Probezeit umfangreich unterstützen wird. Schließlich hat sie für ihre Zukunft noch große Pläne: Ihr Traum ist es, eines Tages wieder direkt am Patienten zu arbeiten.
Weitere Informationen: www.myomo.de/