„Menschen mit Psoriasis sind Meister des Versteckens“
Schuppenflechte – rötliche, schuppende Hautstellen. „Nicht schön, aber es gibt Schlimmeres. Eincremen, fertig.“ So naiv könnte man die Psoriasis beschreiben – als Laie, als Nicht-Betroffener. Doch wie heißt es: Der Teufel ist ein Eichhörnchen. Und so wissen Betroffene dieser so harmlos klingenden Erkrankung mitunter eine ganz andere (Leidens)-Geschichte zu erzählen: ständiger Juckreiz, Schmerzen und Bewegungseinschränkungen, wenn die Psoriasis auch Muskeln und Gelenke betrifft (Psoriasis-Arthritis), Stigmatisierung aufgrund sichtbarer Flechtenherde. Nicht selten führt dies zu sozialer Isolation. Der Deutsche Psoriasis Bund e.V. (DPB) hat es sich zur Aufgabe gemacht, Betroffenen ein offenes Ohr zu bieten, sie zum Experten „ihrer Psoriasis“ zu machen, sie miteinander zu vernetzen, mit Politik, Forschung, Ärztinnen und Ärzten im stetigen Austausch zu sein sowie die Gesellschaft für diese Krankheit mit den vielen Gesichtern zu sensibilisieren.
„Die meisten Menschen, die sich an uns wenden, haben noch nicht die richtige Therapie“, erklärt Anette Meyer vom Deutschen Psoriasis Bund e.V. (DPB). Sie weiß um die Probleme der Betroffenen. Hat jeden Tag Kontakt zu ihnen. Da seien zum einen diejenigen, deren Psoriasis noch gar nicht oder unzureichend behandelt wird. Andere Betroffene seien zwar gut eingestellt, werden aber bei jedem Schub mit der Tatsache konfrontiert, dass die Krankheit nicht heilbar ist und sie ihr Leben lang damit zurechtkommen müssen. „Hier braucht es oftmals kleine Tipps und Hilfen für den Alltag von anderen Betroffenen und das gute Gefühl, nicht allein mit dieser Erkrankung zu sein“, so Meyer. Erkrankte können jahrelang gut eingestellt sein. Wenn dann plötzlich Gelenkschmerzen auftreten und zur Psoriasis noch eine Psoriasis-Arthrtitis dazukommt, ist das noch einmal sehr einschneidend. „Dann wenden sich die Menschen wiederum häufig an uns“, berichtet Meyer. Nicht zu vergessen: Die Schuppenflechte ist keine reine Hautkrankheit. Als systemische Erkrankung kann sie auch andere Organe befallen. Zu den Begleiterkrankungen zählen z.B. Stoffwechselstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Morbus Crohn.
Der Leidensdruck ist enorm
In einer Gesellschaft, in der viele in Bezug auf ihr Äußeres stets nach Optimierung streben, in der uns Werbung, vor allem soziale Medien, ein Bild von makelloser Schönheit suggerieren, ist der Anspruch besonders groß, diesem Bild zu entsprechen – oder zumindest nicht zu offensichtlich davon abzuweichen. Aus Erfahrung weiß Anette Meyer: „Menschen mit Psoriasis werden anders wahrgenommen als beispielsweise Neurodermitiker.“ Die weiß-silbrigen Schuppen, je nachdem wo und in welcher Ausprägung sie auftreten, ziehen unweigerlich Blicke auf sich. „Das auszublenden ist für viele Betroffene sehr, sehr schwierig. Sie sind Meister des Versteckens.“ Ein Besuch im Schwimmbad, entspannen in der Sauna, auspowern im Fitnessstudio – was für andere selbstverständlich ist und Lebensqualität bedeutet, ist für viele von Psoriasis Betroffene undenkbar. Sommer, Sonne, warme Temperaturen, kurze Hose, T-Shirt … für manche die schönste Zeit im Jahr. Für diejenigen, die sich davor fürchten, dass die Schuppen an Ellbogen, Hand oder Kopf für mal mehr, mal weniger dezente Blicke sorgen, stellt selbst der Gang zum Supermarkt eine schier unüberwindbare Hürde dar. Die Folge: Viele trauen sich gar nicht mehr in die Öffentlichkeit und isolieren sich – manchmal selbst vom nächsten Umfeld. Doch nicht einzig die Betroffenen selbst leiden, auch Angehörige und Freunde stoßen nicht selten an Grenzen. Sie möchten helfen, wissen jedoch nicht, wie.
Die gute Nachricht: Therapien gibt es – aber so einfach ist es nicht
„Psoriasis ist zwar leider nicht heilbar. Grundsätzlich gibt es aber für jede Form und für jeden Schweregrad gute Behandlungsmöglichkeiten. Betroffene oder auch Angehörige wenden sich an uns, weil sie Hilfe suchen, diese aber noch nicht gefunden haben“, so Meyer.
Therapien zielen darauf ab, Symptome zu lindern, Akutphasen zu verkürzen und neue Schübe zu vermeiden. War es früher nur möglich, mit äußerlich wirkenden Medikamenten zu behandeln, stellen heute vor allem die sogenannten „Biologika“ einen Gamechanger dar. Vor rund 20 Jahren erstmals zugelassen, haben sie in den vergangenen Jahren die Psoriasis-Therapie revolutioniert. Biologika kommen bei mittelschweren bis schweren Verläufen zum Einsatz. In die Haut gespritzt oder als Infusion verabreicht, greifen sie in die Entzündungsprozesse ein. Entzündungen sowohl in der Haut wie auch in den Gelenken können gestoppt, zumindest stark vermindert werden. Wissenschaftler gehen darüber hinaus davon aus, dass Biologika auch das Risiko für Depressionen, begünstigt durch Entzündungsprozesse bei Psoriasis-Patienten, verringern können¹.
Trotz dieser Forschungserfolge reißen Anfragen und Hilfegesuche beim Deutschen Psoriasis Bund nicht ab. Woran liegt das? Da wäre zum einen die Scheu der Betroffenen davor, den ersten Schritt zu gehen, sich nach draußen zu wagen und in ärztliche Behandlung zu begeben. „Hier können wir mit einem offenen Ohr, Empathie, Aufklärung und Kontakten zu Dermatologinnen und Dermatologen schon einen Grundstein legen“, erzählt Meyer. Ein weiteres, großes Problem bestehe darin, dass immer noch einige Dermatologinnen und Dermatologen äußerlich wirkende Therapieformen, wie Salben, Cremes oder auch Bestrahlung bevorzugen. „Für Betroffene mit einem milden Verlauf reicht das in der Regel. Nicht für jeden eignet sich eine innerliche Therapie – und nicht jeder möchte sie. Dafür braucht es einen gewissen Schweregrad. Einige kommen auch mit angepasster Ernährung klar, oder wenn sie im Sommer ans Meer fahren. Nicht jeder muss erscheinungsfrei sein, zudem ist der Leidensdruck individuell“, erklärt Meyer. Ab einer bestimmten Schwere der Krankheit reiche das aber nicht mehr. Warum einige konventionelle, innerlich wirkende Medikamente wie MTX oder Fumarsäureester akzeptieren, sich aber bei Biologika noch schwertun, erklärt sich Meyer so: „Aus den vielen Gesprächen, die wir mit Medizinern und Betroffenen führen, geht hervor, dass viele lieber bei dem bleiben, was sie kennen. Dermatologinnen und Dermatologen hingegen, deren Facharztausbildung noch nicht zu lange zurückliegt, sind mit diesen Therapieformen eher vertraut und können ihre Patientinnen und Patienten entsprechend aufklären.“
Zuhören, aufklären, beraten, vermitteln, verbessern
In Sachen Aufklärung gibt es noch viel zu tun. Das weiß auch der Deutsche Psoriasis Bund e.V. So setzt sich der Verein u.a. dafür ein, die medizinische Versorgung aller Menschen mit Psoriasis zu verbessern. Darüber hinaus fördert er, so es die finanzielle Situation zulässt, Forschungsvorhaben und die Zusammenarbeit von Ärztinnen und Ärzten sowie Patientinnen und Patienten in Kooperation mit Krankenkassen, Rehabilitationseinrichtungen, Hautkliniken und ambulanten Therapiezentren. In seiner Arbeit steht dem gemeinnützigen Verein ein großes Netzwerk aus Dermatologen, Rheumatologen, Psychologen wie auch Juristen zur Seite. Dieser wissenschaftliche Beirat unterstützt die Mitglieder kostenlos zum Beispiel bei medizinischen Fragen, berät zu Rentenansprüchen oder bei Reha-Anträgen.
Mittlerweile gehören dem DPB merhre Tausend Mitglieder an. In zahlreichen Selbsthilfegruppen über ganz Deutschland verteilt, geben sie sich gegenseitig Halt und Unterstützung. „Während der Pandemie konnten Informationsveranstaltungen und Vorträge, die wir unseren Mitgliedern immer wieder anbieten, nur online stattfinden. Auch Selbsthilfegruppen kamen weiterhin zusammen, aber eben digital. Das führte dazu, dass wir das Online-Angebot ausgeweitet haben. Mittlerweile gibt es eine Gruppe speziell für Angehörige sowie weitere Gruppen für kleinere Personenkreise, z.B. für Menschen, die an Sonderformen der Psoriasis erkrankt sind. Für diese Betroffenen stellen sich noch einmal ganz andere Fragen“, berichtet Anette Meyer.
Vorteile für Mitglieder auf einen Blick
- das „PSO Magazin“ informiert sechsmal jährlich rund um die Psoriasis
- kostenlosen digitalen Zugang zu allen DPB-Printprodukten über die App „PSO Kiosk“
- kostenlose medizinische Beratung durch Ärztinnen und Ärzte des wissenschaftlichen Beirates des DPB
- kostenlose Rechtsberatung in sozialrechtlichen Fragen durch eine Rechtsanwaltskanzlei
- Beratung und Erfahrungsaustausch mit anderen Erkrankten in den Regionalgruppen des DPB
- Veranstaltung von Patientenschulungen und Kompetenzseminaren
- Organisation von Informationsveranstaltungen
- Organisation des Welt-Psoriasis-Tages in Deutschland
- Kontakte zu Ärztinnen und Ärzten
Viele weitere Informationen rund um die Arbeit des Deutschen Psoriasis Bundes e.V., zur Mitgliedschaft, zu den Selbsthilfegruppen, kommenden Veranstaltungen und natürlich Wissenswertes über die Psoriasis finden Interessierte unter: https://www.psoriasis-bund.de
Quellen
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