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Keine Angst vor Kortison

Der Begriff „Cortison“ oder „Kortison“ fällt immer wieder im Zusammenhang der Therapie verschiedener entzündlicher Erkrankungen, häufig mit negativer Bewertung. Im Gespräch mit dem Deutschen Psoriasis Bund e.V. erklärt Prof. Dr. Michael Sticherling, Dermatologe und Immunologe, was es mit dem Hormon wirklich auf sich hat:

Kortisonpräparate sind hochwirksam- eine zielgerichtete Verwendung vorausgesetzt. Foto: Shutterstock.com/ternavskaia-olga-alibec

„Die eigentlich wirksame Substanz ist Cortisol oder Hydrokortison, die durch Oxidation zur inaktiven Form Kortison wird. Cortisol gehört zu den lebenswichtigen Hormonen des Menschen. Ohne diese Substanz können wesentliche Körperfunktionen wie der Kohlenhydrat-, Fettstoff- und Proteinstoffwechsel nicht aufrecht gehalten werden. Umgangssprachlich werden therapeutisch eingesetzten Glukokortikoide wie Prednisolon und Dexamethason verkürzend und wie oben beschrieben eigentlich fälschlicherweise als „Cortison“ bezeichnet. Trotzdem soll dieser Begriff im Folgenden zur Vereinfachung in diesem Sinne genutzt werden.

Der Name Kortison leitet sich von dem griechischen Wort „kortex“ für Rinde ab, da das Hormon von der Nebennierenrinde des Menschen produziert wird. In den 1930er Jahren wurde Kortison durch verschiedene Arbeitsgruppen in Extrakten aus tierischen Nebennierenrinden entdeckt und 1937 erstmals synthetisch hergestellt. 1948 wurde ein Patient mit schwerem Rheuma, der erstmalig durch den Arzt Philip Hench Kortison injiziert bekommen hatte, schmerzfrei. Hench erhielt zwei Jahre später zusammen mit seinen Kollegen Edward Kendall und Tadeus Reichstein den Nobelpreis für Medizin. 1951 konnte der US-amerikanische Chemiker Robert Woodward erstmalig Kortison vollständig künstlich herstellen (synthetisieren) und erhielt für seine Arbeiten zur Synthese von Naturstoffen, unter anderem des Kortisons, 1965 den Nobelpreis für Chemie. Seit dieser Zeit kann Kortison therapeutisch im klinischen Alltag eingesetzt werden. Zahlreiche, bis zu diesem Zeitpunkt schwere bis tödlich verlaufende Erkrankungen haben danach ihren Schrecken verloren.

Zu viel oder zu wenig Hydrokortison: Der Ausgleich ist wichtig

Die menschliche Nebennierenrinde produziert kontinuierlich Hydrokortison, das bedarfsgerecht abgegeben wird, das heißt unter anderem stressabhängig. Damit gewährleistet sie eine wichtige Regulations- und Abwehrfunktion des Körpers. Diese Produktion ist streng reguliert, es kann jedoch selten durch Infekte, Medikamente oder andere Erkrankungen zu wenig oder zu viel Hydrokortison freigesetzt werden.

Im ersten Fall kommt es zu einer ausgeprägten und lebensbedrohlichen Verminderung der Stoffwechsel- und verschiedener Körperfunktionen. Dann muss das fehlende Hydrokortison umgehend und fortlaufend ersetzt werden.

Im zweiten Fall kommt es zum Krankheitsbild des Cushing-Syndroms. Hier zeigt sich neben einer typischen dauerhaften rundlichen Gesichtsschwellung und einer Schwellung im Nackenbereich (diese wurden früher stigmatisierend Vollmondgesicht und Stiernacken genannt) eine Muskelschwäche oder Muskelschwund, eine Osteoporose (Knochenschwund), eine Kortison-Akne, ein erhöhter Blutzuckerspiegel mit Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), Wassereinlagerungen im Gewebe, sogenannte Dehnungs-/Schwangerschaftsstreifen, eine gestörte Wundheilung sowie eine Erhöhung des Augeninnendruckes und Linsentrübung (grüner und grauer Star). Auch Blutbildveränderungen und Störung der Sexualhormonproduktion, eine Steigerung des Infektrisikos und eine Immunschwäche sowie neurologische und psychiatrische Symptome wie Depressionen, Psychosen und Schlaflosigkeit können auftreten.

Unterschieden wird bei der Kortisontherapie daher eine sogenannte Substitution, das heißt der Ersatz von fehlendem körpereigenem Cortisol in der physiologisch nötigen Menge oder eine therapeutische Verabreichung, die dem Körper vor allem bei schweren entzündlichen Erkrankungen deutlich höhere Kortison-Mengen zuführt. Dies kann zu den Symptomen des oben beschriebenen Cushing-Syndroms führen. Bei fortgesetzter höherer Gabe von innerlich verabreichten (systemischen), therapeutischen Kortikosteroiden stellt die Nebennierenrinde jedoch ihre eigene Produktion ein, sodass bei plötzlichem Absetzen des therapeutischen Kortisons ein Mangel entsteht, der zu schweren Krankheitszuständen bis zum Tod führen kann. Daher ist eine systemische Kortisontherapie sorgfältig durchzuführen und langsam schrittweise zu reduzieren. Da die körpereigene Cortisolproduktion morgens am höchsten ist, wird deren Regulierung am wenigsten beeinflusst, wenn systemische, therapeutische Kortikosteroide frühmorgens verabreicht werden. Art und Dosierung sind von der jeweiligen Erkrankung, deren Aktivität und deren Verlauf abhängig.

Innerliche (systemische) Therapie

Durch eine kontrollierte und kritische, dem Krankheitsbild angepasste Dosierung von Kortisonpräparaten, die ausreichend lange, gleichzeitig aber möglichst kurz verabreicht werden, lassen sich diese Nebenwirkungen vermeiden oder vermindern bei gleichzeitiger Ausnutzung der hervorragenden therapeutischen Effekte. Kortison ist bis heute bei vielen entzündlichen Erkrankungen das zuverlässigste entzündungshemmende Medikament, das bei fast llen Betroffenen innerhalb kurzer Zeit und bei kurzfristiger guter Verträglichkeit zu guten Effekten führt. Angesichts moderner und sehr wirksamer innerlicher Medikamente zur Behandlung der Psoriasis ist der Einsatz von systemischem Kortison bei diesem Krankheitsbild nicht mehr nötig und in den entsprechenden Leitlinien nicht mehr empfohlen. Lediglich bei der Psoriasis-Arthritis und der seltenen generalisierten pustulösen Psoriasis ist im Einzelfall die Anwendung zu diskutieren.

Probleme ergeben sich bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen eigentlich nur durch die fortgesetzte Anwendung, die vermieden werden sollte. Hier werden Kortison-sparende Medikamente wie Azathioprin besonders in der Rheumatologie jenseits der Psoriasistherapie eingesetzt. Die Verwendung von systemischen Kortisonpräparaten bei der Psoriasis ist heute angesichts der verfügbaren, sehr viel sichereren und gleichzeitig sehr wirksamen Medikamente bis hin zu Biologika nicht mehr nötig und allenfalls kurzfristig für eine akute Intervention bei sehr schweren Krankheitsbildern vertretbar.

Äußerliche (lokale) Therapie

Die lokale Anwendung von Kortisonpräparaten ist insbesondere in der Dermatologie bei den sehr häufigen entzündlichen Hauterkrankungen verbreitet. Auch hier gilt wieder die sehr gute kurz fristige Wirksamkeit und Verträglichkeit mit allerdings bei längerer und großflächiger Anwendung auftretenden Nebenwirkungen wie Verdünnung der Haut (Atrophie), Einblutungen, lokaler Infektneigung und Wundheilungsstörungen. Auch kann es bei großflächiger und längerfristiger Anwendung zu einer systemischen (innerlichen) Aufnahme von Kortison mit entsprechenden Nebenwirkungen kommen.

Die modernen Kortisonpräparate zur Lokalanwendung werden schon in der Epidermis (Oberhaut) enzymatisch abgebaut und erreichen das Körperinnere nicht. Auch bei der Lokalanwendung werden abhängig von der Krankheitsaktivität schwach, mittelstark und stark wirksame Kortisonpräparate mit vier Wirkstoffklassen unterschieden. Wichtig ist dabei zu beachten, dass in den USA diese Reihenfolge der Wirkstärke genau umgekehrt ist. Die am schwächten wirksamen lokalen Kortisonpräparate wie Hydrokortison sind allenfalls bei Kindern und im Genitalbereich vertretbar. Die mittelstark wirksamen Kortikosteroide der Klassen 2 und 3 sind bei der Neurodermitis und der Psoriasis am häufigsten eingesetzt. Clobetasol gehört zur Klasse 4, die am stärksten wirksam ist.

Durch eine Kombination der Kortison-Präparate mit anderen Substanzen wie Vitamin-D-Derivaten oder Salicylsäure kann die Wirksamkeit unter Minderung der Dosis oder Anwendungsdauer erhöht werden. Die Lokaltherapie mit Kortison erfolgt daher stufenweise, das heißt anfänglich bei noch akuter Erkrankung mit stärker wirksamen Präparaten, die täglich je nach Präparat ein bis zwei Mal aufgetragen werden. Dann später werden sie deeskalierend stufenweise immer weniger häufig jeden zweiten und dritten Tag eingesetzt. Und schließlich kann auch bei erscheinungsfreier Haut als sogenannte proaktive Therapie ein- bis zweimal in der Woche auf den ursprünglich betroffenen Arealen das gleiche Präparat eingesetzt werden – und dies über mehrere Wochen bis Monate. Hier konnten klinische Studien bei der Neurodermitis und der Psoriasis nachweisen, dass die Häufigkeit und Schwere von Schüben als auch die Gesamtmenge der verbrauchten Kortikoide wesentlich vermindert sind.

Wie bei der Systemtherapie sollte eine lange fortgesetzte Lokaltherapie mit Kortisonpräparaten vermieden werden, entweder durch die gerade beschriebene proaktive Therapie oder durch die Kombination mit steroidfreien Wirkstoffen wie Vitamin-D-Derivaten oder Calcineurin-Inhibitoren oder auch mit ultraviolettem Licht. Die Kortison-haltige Lokaltherapie zeichnet sich dabei durch eine praktisch unbegrenzte Kombinationsfähigkeit mit allen anderen lokalen und systemischen Therapeutika aus.

Fazit: Das körpereigene Cortisol ist ein effektives und lebenswichtiges Hormon. Bei seinem krankhaften Fehlen muss es zugeführt werden, bei entzündlichen Erkrankungen kann die Gabe von therapeutischen Kortison-Abkömmlingen hilfreich sein. Diese müssen der Erkrankung und deren Verlauf angepasst und gerade bei chronischen Erkrankungen zeitnah reduziert und von kortisonfreien Präparaten und einer konsequenten Hautpflege abgelöst werden. Unter diesen Gesichtspunkten sind Kortison-Abkömmlinge eine segensreiche Wirkstoffgruppe, die hochwirksam ist, jedoch richtig eingesetzt werden sollte.“

Quelle: Deutscher Psoriasis Bund e.V.  

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